Vernetztes Fahrzeug
2. Dezember 2020 - Redaktion Providentia

Vernetzter Verkehr im Faktencheck

Der vernetzte Verkehr ist neben dem autonomen Fahren, der Elektromobilität und der Shared Mobility eines der vier zentralen Themen, die besonderes Wachstum für die Autoindustrie versprechen. Ein Faktencheck.

Es gibt sie bereits, die Fahrzeuge, die miteinander (oder mit einer externen Infrastruktur) Informationen austauschen, Assistenzsysteme, die Echtzeitinformationen übermitteln und fahrzeuginterne wie externe Sensorik, die die aktuelle Lage sekündlich erfasst: Das vernetzte Fahren ist technisch machbar. Das zeigen viele der Testfelder in Deutschland, in denen automatisiertes und autonomes Fahren erforscht wird. Allerdings lässt sich der Wert des vernetzten Fahrens oft nicht unmittelbar ermitteln, da oft zunächst kurze Strecken und Abschnitte mit moderner Technologie ausgestattet sind. Es liegt auf der Hand, dass durch angemessenes und defensives Fahren weniger Energie verbraucht wird, dass automatisierte Vorgaben in Assistenzsystemen helfen, Unfälle zu vermeiden oder die Spuren auf der Autobahn besser auszunutzen und so dafür sorgen, dass der Verkehr besser fließt. Automatisiertes Fahren könnte die Parkplatzsituation in Städten verbessern und überhaupt – Schulter an Schulter mit der Elektromobilität – dazu beitragen, dass das Leben in der Stadt gefahrfreier, ruhiger, schadstoffärmer und angenehmer wird.

Einige dieser Vermutungen sind inzwischen mit Zahlen unterlegt oder zumindest durch Experten-Umfragen validiert worden.

Wie entwickelt sich der Markt?

In 5 Jahren ist jedes zweite Fahrzeug vernetzt

Waren 2018 noch 119 Millionen vernetzte Fahrzeuge weltweit unterwegs, sollen es im Jahr 2023 bereits 352 Millionen sein. In den USA sind mit einem Anteil 32,7 Prozent die meisten dieser Fahrzeuge angemeldet. In 2023 wird Europa der führende Kontinent für vernetztes Fahren sein. Von 37 Millionen (2018) auf 110 Millionen wird sich die Anzahl vernetzter Fahrzeuge fast verdreifachen, so Analysen von Capgemini Invent. 2025, so Prognosen von PWC, wird jedes zweite Fahrzeug in Europa vernetzt sein, zehn Jahre später ist es bereits die klare Mehrheit (93 Prozent).

Datenmanagement als neuer Wachstumsmarkt

Kein Wunder, dass mit der Anzahl der vernetzten Fahrzeuge auch die Menge an Daten steigt, und zwar um mehr als das Fünffache von 33 auf 175 Zetabyte, also 175 Milliarden Terabyte. Daten sind auch für die Autoindustrie „der neue Kraftstoff“. Entsprechend registriert das Europäische Patentamt nach Analyse der Patentkanzlei Grünecker, dass Datenmanagement zum wichtigsten Segment für das autonome Fahren geworden ist. Unternehmen wie IBM, Microsoft, Google, Amazon, Alibaba und SAP befinden sich unter den am stärksten vertretenen Anmeldern von Patenten.

Was bringen vernetzte Fahrzeuge für den Verkehr?

Mehr Sicherheit

In einer Befragung der Technischen Universität Wien – „AVENUE21“ – gehen die Befragten stark davon aus, dass die Verkehrssicherheit erhöht wird (5,3 auf einer Skala von 0=“stimme nicht zu“ bis 7=“stimme zu“), immer mehr Daten gesammelt und zur Steuerung des Verkehrs eingesetzt werden (5,3), intermodale Angebote zunehmen werden (5,2), Sharing-Angebote ausgeweitet werden (4,9) und die Leistungsfähigkeit des Verkehrsnetzes erhöht wird (4,8). Schon heute ist klar, dass die Sicherheit auch in der Entwicklung von digitalen Services eine wichtige Rolle spielt: Kollisions- und Gefahrenwarnungen sowie Diebstahlsicherungen stehen ganz oben auf dem Diagramm, das einerseits den Wert von Services für den Kunden sowie den Willen, dafür zu bezahlen, darstellt. Ebenfalls vorne dabei: Die Fußgängerdetektion, automatische Abstandskontrolle und Echtzeitparkinformationen.

Größerer Durchfluss, weniger Emissionen

Am Beispiel Berlin kommt acatech in seiner Studie „neue Automobilität II“ zu dem Schluss, dass sich die Geschwindigkeit von durchschnittlich 30 km/h durch intelligente Verkehrssteuerung immerhin um 30 Prozent steigern ließe. Weiteres Plus durch die Technologie: Emissionen wie Feinstaub, Stickoxide und CO2 nehmen um bis zu 15 Prozent ab, so Ergebnisse des in der Studie genannten US-Department of Transportation. Das britische Forschungsinstitut Center for Economics and Business Research (CEBR) hat die Stunden im Stau schon 2015 auf 118 pro Jahr beziffert. Vernetztes Fahren könnte bei gleichbleibender Automenge die Zeit im Stau um immerhin 20 Prozent senken. In Summe ließen sich also 233 Millionen Liter Kraftstoff, 600.000 Tonnen CO2 und 5,2 Milliarden Gesamtkosten einsparen.

Mehr Parkplätze

Spannend auch: Durch autonome Fahrdienste lassen sich wissenschaftlichen Analysen in Singapur und Stuttgart zufolge 70 bis 90 Prozent der Fahrzeuge und Parkplätze einsparen, schreibt acatech in seiner Studie „Neue autoMobilität II“.

Prävention gegen Staus: Wenn alles nicht hilft, dann die Maut

Natürlich ist vernetztes Fahren nicht in der Lage, Staus zu vermeiden, wenn die Anzahl der Fahrzeuge ständig weiter ansteigt. Allein in den letzten fünf Jahren ist die Anzahl der Fahrzeuge um 3,3 Millionen auf jetzt 47,7 Millionen gestiegen. Für die Innenstadt gibt es dann allerdings auch ein Mittel der Wahl: In Stockholm haben Straßennutzungsgebühren in einer sechsmonatigen Testphase dazu geführt, dass jedes fünfte Auto in der Garage bliebt – mit der Folge, dass 30 bis 50 Prozent der Staus vermieden werden konnten.

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