6. Mai 2021 - Redaktion Providentia

Mobileye, Waymo und Co.: Autonome Konzepte zerlegen klassischen Automarkt

Die einen Anbieter von autonomen Fahrzeugen konzentrieren sich auf „People Mover“ in der Stadt, die anderen auf autonome Pkws für die individuelle Nutzung außerhalb der Städte: Der Co-Autor des Buches „Die autonome Revolution“ Prof. Andreas Herrmann von der Universität St. Gallen prophezeit eine Zweiteilung des Automarktes – und den Siegeszug von Daten, Software und Services.

Einsteigen, Ziel eingeben, Sitz nach hinten klappen, schlafen und am Ziel ankommen: Daran denken Menschen in der Regel, wenn sie sich autonome Fahrzeuge vorstellen. Bis es dazu kommt, werden noch einige Jahre vergehen. Am schnellsten geht es bei Shuttles und Robotaxis, den so genannten People Movern – „auf dem kurzen Pfad“, wie Andreas Herrmann sagt. Für autonome Fahrzeuge, die sich nicht im Privatbesitz befinden, gibt es heute bereits den einen oder anderen Piloten – in Europa besonders für Shuttles. „In den Metropolen“, da ist sich Prof. Andreas Herrmann aus dem Institut für Mobilität der Uni St. Gallen sicher, „haben private Fahrzeuge keine Zukunft mehr“. Erst der „längere Pfad“ – Herrmann denkt dabei so etwa an 2050 – wird dann individuelle autonome Fahrzeuge bringen, die besonders über längere Strecken zum Einsatz kommen. Das Dilemma: OEMs leben davon, die „Freude am Fahren“ und „Vorsprung durch Technik“ besonders Menschen zu vermitteln, die ein eigenes Fahrzeug besitzen wollen. „Sie interessieren sich weniger für Shuttles und Robotaxis“, sagt Hoffmann, „doch werden hier schneller marktreife Produkte entstehen“. Die Folge: Große Zulieferer wie Bosch, Conti und ZF preschen in die Lücke, bringen People Mover auf den Markt, emanzipieren sich ein Stück weit von den OEMs und schaffen sich so einen neuen Absatzmarkt für den bröckelnden Umsatz mit Verbrennern. Eins ist klar: Der Automarkt sortiert sich neu.

Geschäftsmodelle mit Zukunft: Daten, Services, Software

Auf der einen Seite stehen also die OEMs, die den Markt des autonomen Fahrens mit Premiumfahrzeugen angehen, auf der anderen die großen Zulieferer, die sich das Marktsegment der People Mover erschließen wollen. Die Frage ist, was mit Zulieferern passiert, die fast ausschließlich für die auslaufenden Technologien, den Verbrenner und Diesel, Bauteile gefertigt haben. „Denn der E-Motor ist technisch keine große Herausforderung, erfordert erheblich weniger Bauteile als ein Verbrenner und die Batterien werden in der Regel in Asien gebaut“, sagt Herrmann, der in seinem Buch die Geschäftsmodelle darstellt, die künftig guten Absatz versprechen. Auf einen kurzen Nenner gebracht hat das immer weniger mit Bauteilen aus dem Fahrzeug zu tun, sondern viel mehr mit Daten, Services und Software: Herrmann sieht ein Biotop von 15 bis 20 großen Unternehmen, darunter Google-Tochter Waymo, Intel-Tochter Mobileye und Nvidia, die hier mächtig mitmischen werden. Insgesamt macht der Professor aus der Schweiz über 900 Firmen weltweit aus, die sich auf dem Markt für Sensorik, künstliche Intelligenz, Datenmanagement und digitalen Plattformen tummeln und als Zulieferer für die künftigen Generationen von Fahrzeugen wichtig werden könnten.

Autonomes Fahren: Die Technologie, das Ökosystem, die Auswirkungen auf die Gesellschaft

Das Buch „Die autonome Revolution“ zeigt die Facetten des fundamentalen Umbruchs in der Automobilindustrie hin zu vernetzten und autonomen Fahrzeugen auf. Auch wenn das Buch bereits 2018 herauskam, ist es heute aktueller denn je. Eine gute Einführung für alle, die verstehen wollen, warum autonomes Fahren über kurz oder lang zum Alltag gehören wird.

Die autonome Revolution – Wie selbstfahrende Autos unsere Straßen erobern

Walter Brenner und Andreas Herrmann

Frankfurter Allgemeine Buch, 2018; 351 Seiten

gebunden 30 €; eBook 14,99 €

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