21. Oktober 2021 - Redaktion Providentia

Software bei OEMs: Kollaboration statt “Clash of Clans” bei Stellantis

14 Automarken unter einem Dach zu haben, bedeutet auch, Synergien zu nutzen. Auch in der Softwareentwicklung bedeutet das: Konsolidieren, standardisieren und kollaborieren. Fragen an den Chef der Software-, Hardware und KI-Entwicklung bei Stellantis Joachim Langenwalter.

Herr Langenwalter, Software und KI ist der Stoff, der manche Fahrzeuge künftig von anderen abhebt. Doch sind IT-Strukturen über Jahre gewachsen. Wie lässt sich Software in Unternehmenswert verwandeln?

Früher war alles auf den SOP ausgerichtet, den Start of Production – den Beginn der Serienfertigung. Das ist heute anders: Nun geht es darum, einen „Set of Features“ möglichst günstig herzustellen – im Sinne von Minimal Lovable Products (MLP). Selbst wenn Fahrzeuge schon gebaut sind, muss Software Update-fähig sein und On- wie Offboard-Funktionalitäten entwickeln sich ständig weiter. Diese Anforderungen haben unsere Organisation bereits stark verändert. Software soll alle Bereiche der Fahrzeugherstellung vom Antriebsstrang über die Karosserie, Cockpitfunktionalitäten, automatisiertes Fahren sowie vernetzte Services unterstützen. Bei 14 Marken ist es nicht sinnvoll, dass jede Marke in der jeweiligen Domäne Software entwickelt. Deswegen geschieht das markenübergreifend in einer Matrixorganisation.

Was bedeutet das für die Produktion?

Bei Stellantis gibt es eine zentralisierte Entwicklung. Schon als ich Anfang des Jahres zum Unternehmen gekommen bin, gab es kein ADAS nur für Fiat oder für Chrysler. Es gibt ein Fahrerassistenzsystem für die jeweiligen Fahrzeugklassen, mit einem Feature-Set, das mit Unterstützung von Kameras, Radaren und Lidaren hochautomatisiertes Fahren auf Level 3 und mehr möglich macht. Dann gibt es für alle Plattformen nur noch zwei mögliche EE-Architekturen. Und auch die App-Plattformen werden konsolidiert. Hinter den Apps für Peugeot, Jeep und Chrysler wird in Kürze nur noch eine Technologie stehen. Das war über Jahre in der Branche keineswegs selbstverständlich: Viele Marken entwickelten etwa für sich ein eigenes ADAS in konkurrierenden Organisationen. Vom Projekt- über das Produktmanagement, die Entwicklung, die Auswahl der Hardware bis hin zur künstlichen Intelligenz wurde alles mehrfach gemacht. Das ging soweit, dass unterschiedliche Bereiche mit demselben Softwareanbieter eigene Verträge abschlossen. Das ist heute völlig ausgeschlossen. Der „Clash of Clans“ schadet dem Geschäft, denn heute geht es um Kollaboration und Dynamik.

Über Marken hinweg zu konsolidieren bedeutet auch, über Marken hinweg Software zu produzieren. Lässt sich Software nicht auch über Unternehmensgrenzen hinweg entwickeln und einsetzen, wie etwa Android und iOS im Smartphone-Bereich?

Eine reelle Möglichkeit wäre gewesen, dass ein Softwareplattformhersteller die Anforderungen an ein solches System bei mehreren OEMs und Zulieferern einsammelt und ein derartiges Betriebssystem entwickelt. Allerdings wurde dieser Zeitpunkt verpasst und die meisten Autohersteller haben inzwischen ihre eigenen Systeme geschaffen – wie VW.OS bei Volkswagen, MBOS bei Daimler oder auch bei den japanischen Herstellern. Das Softwarethema ist von fast allen zu lange unterschätzt worden. Der Druck hat dazu geführt, dass nun schnell entschieden werden musste. Es war einfach nicht mehr der geeignete Zeitpunkt, sich mit mehreren anderen Unternehmen abzustimmen. Heute noch als OEM die Entwicklung eines Betriebssystems zu orchestrieren macht wenig bis keinen Sinn. Denn wir haben alle zu wenig Softwareentwickler. Klar ist: Deren Kreativität und Arbeitskraft müssen wir in differenzierte kundensichtbare und begeisternde Funktionen stecken – und nicht in ein unsichtbares Betriebssystem.

Wann: Am 28.10.2021 um 14 bis 15:30 als Online-Diskussion

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