6. Dezember 2021 - Redaktion Providentia

CiLoCharging: Emobilität in stadtnaher Logistik etablieren

Ein neuer Logistikterminal, zwei neue E-LKWs von Autohersteller Volvo, ein KI-basiertes Verkehrsmanagement, optimierte Ladestationen mit integriertem Energiemanagement: Das neue Forschungsprojekt CiLoCharging erprobt Emobilität in der stadtnahen Logistik mit 16-Tonnern. Fragen an Jürgen Götz vom Konsortialführer Siemens.

Herr Götz, Siemens ist Konsortialführer im Projekt CiLoCharging. Was verbirgt sich hinter dem Projekt?

CiLoCharging ist ein Kürzel und steht für City Logistic Charging. Seit Anfang 2021 beschäftigen wir uns in unserem Forschungsprojekt damit, das Lade-, Energie- und Routenmanagement in der „stadtnahen Logistik“ zu integrieren und zu optimieren.  Und das tun wir nicht, wie ursprünglich diskutiert, mit den bekannten elektrisch betriebenen Streetscootern wie jenen der Deutschen Post, sondern mit voll elektrifizierten LKWs, die auch im stadtnahen Bereich, also im Umland, ausliefern. Derzeit baut unser Projektpartner DHL Freight in Erlensee bei Frankfurt ein neues Logistikzentrum, an dem die Prozesse in einem Feldversuch ab Mitte 2022 in den Testbetrieb gehen sollen.

LKW-Ladestationen: Schnellladen für Batteriekapazitäten von bis zu 300 kWh zur Verfügung stellen

Welche Herausforderungen sehen Sie in dem Projekt?

Es geht um vier Themen, die Ladeinfrastruktur für E-LKWs, deren Energieversorgung sowie die Optimierung der Logistik und der Routen, also das Verkehrsmanagement. Ladeinfrastruktur und Energiemanagement müssen integriert werden und eine Systemarchitektur über alle vier Domänen hinweg muss entwickelt werden.

Im Einzelnen geht es uns von Siemens etwa bei der Abstimmung mit einem Energieversorger darum, genug Strom zum Laden der Fahrzeuge zu bekommen. Die bestellten 16-Tonner sind größer und schwerer als Streetscooter, mit denen die Deutsche Post bereits Erfahrungen gesammelt hat. Die neuen Fahrzeuge haben etwa eine Reichweite von 300 Kilometern und eine Batteriekapazität von bis zu 300 kWh. Wahrscheinlich lässt sich ein Fahrzeug gut über Nacht per AC-Ladesäule laden. Komplexer wird es bei den schnell ladenden DC-Ladesäulen, die auch das Laden zwischendurch innerhalb von einer Stunde ermöglichen können. Zudem sollte das System in der Lage sein, über standardisierte Schnittstellen beliebigen anderen E-Fahrzeugen das Laden sowie bidirektionales Laden zu ermöglichen, um etwaige Energieengpässe beheben zu können. Hinzu kommt, dass die Logistikprozesse mit der Ladeinfrastruktur harmonieren müssen. Dafür setzen wir die von uns intern EVC3 genannte Software ein – das „Electrical Vehicle Charge Control Center“.

Weiteres Forschungsthema ist die Routenplanung. Bisher bestimmen die Fahrer weitgehend selbst, welche Routen sie fahren. Unser Partner STTech wird eine künstliche Intelligenz entwickeln, um dem Fahrer automatisiert optimierte Routen anbieten zu können. Natürlich erfordert der Einsatz dieser neuen Intelligenz noch einige Überzeugungsarbeit bei den Fahrern.

TUM baut digitalen Zwilling für den Logistikterminal von DHL

Und dann muss ja auch noch der Terminal gebaut werden …

Das ist natürlich primär die Aufgabe unseres Partner DHL Freight, der für den Bau verantwortlich ist und das neue Logistikzentrum ja auch betreiben wird. Im Projekt unterstützen wir den Bau hinsichtlich des Konzeptes für die Emobilität. Hier ist es Aufgabe der TU München (TUM) als Partner im Projekt, den Logistikterminal mithilfe einer Simulationssoftware zu modellieren. Derzeit entsteht ein digitaler Zwilling des Logistikterminals. So lässt sich bereits vor dem Bau testen, ob unser Gesamtkonzept über die vier Domänen mitsamt den Optimierungen funktionieren kann. Letztlich wird es also darum gehen, schon frühzeitig ziemlich genau zu wissen, ob unsere Konzepte wirtschaftlich und machbar sind. Einfach gesagt: Was vielversprechend ist, wird verwendet.

Wie ist der Zeitplan des Projektes?

Wir haben Anfang 2021 begonnen und werden uns mit dem Projekt CiLoCharging bis November 2023 beschäftigen. Aktuell sind wir dabei, die Systemarchitektur über die vier Domänen (Ladeinfrastruktur, Energiemanagement, Logistik und Verkehrsmanagement) hinweg zu entwickeln. Parallel dazu laufen bereits Simulationen, mit deren Hilfe wir herausfinden wollen, welche Verfahren sinnvoll sind. Im Frühjahr 2022 werden uns die E-LKWs zur Verfügung stehen, ehe im Sommer der neue Logistikterminal von DHL Freight eingeweiht werden soll. Danach (voraussichtlich im vierten Quartal 2022) startet unser eigentlicher Feldversuch, denn dann kommen Fahrzeuge wie Software gemeinsam zum Einsatz. Wissenschaftlich begleitet wird dieser Feldversuch von Kollegen der Fachhochschule Dortmund, die einen Anforderungskatalog entwickeln und letztlich bewerten werden, ob der gewählte Ansatz DHL Freight wirtschaftliche und prozessuale Vorteile bringt.

Weitere Informationen finden Sie auf unserer Projektseite über CiLoCharging.

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